Schulgleiter SG 38

Der Schulgleiter SG-38 oder SG 38 ist wohl eines der bekanntesten Oldtimer-Gleitflugzeuge, da aufgrund seiner Verbreitung in den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren kein Pilot am Schulgleiter zur Anfängerschulung vorbei kam. Heute hat sich die Anzahl auf ein Dutzend flugfähige Exemplare reduziert, weil die Anfängerausbildung schon längst nicht mehr auf einsitzigen Segelflugzeugen ausgeführt wird. Nichtsdestotrotz erfreut sich der Schulgleiter bei Vorführungen großer Beliebtheit, sodass nicht nur die erhaltenen Exemplare weiter gepflegt werden, sondern sogar neue Repliken entstehen. Und daß es neben den SG 38 noch eine Reihe von weiteren Schulgleiter-Typen wie den "Hol's der Teufel" gab und gibt, wissen nur wenige.

Geschichten über die Schulgleiter

Mit dem Begriff Schulgleiter kann eine ganze Generation von Gleitflugzeugtypen bezeichnet werden, die alle etwas gemeinsam hatten: sie waren einfach und preiswert im Aufbau, leicht zu fliegen und damit ideal für die vorherrschende Einsitzerschulung geeignet, da im Falle eines Falles Reparaturen einfach zu bewerkstelligen waren. Und heute sind es alle Oldtimer. Zu den Schulgleitern gehören bekannte Typen wie "Hol's der Teufel", Schädelspalter, Zögling, SG 38, aber auch weniger bekannte Typen wie Besenstielkiste, Honza, Salamandra, T.38, G101 ..

Der Schulgleiter SG 38 wurde ab 1938 in der Schulung eingesetzt und ist wohl eines der am weitesten verbreiteten Flugzeuge der Ära der Alleinflugausbildung in den vierziger Jahren.

Schulgleiter SG 38 der NSFK

Schulgleiter der NSFK, gestaltet von © Arvo Vercamer 2013

Dieses Gleitflugzeug wurde in großer Stückzahl sowohl im Amateurbau als auch im Industriebau hergestellt und wurde hauptsächlich zur Anfängerschulung eingesetzt. Und auch beim Neuanfang des Segelfluges in den fünfziger Jahren begann man mit der Ausbildung auf dem Schulgleiter.

Als Erbauer des Schulgleiters SG 38 gelten der Flugzeugbauer und Konstrukteur Edmund Schneider (Grunau-Baby), der Konstrukteur, Prüfer und Zöglingsexperte Rehberg sowie der Produktionsleiter und Segelflieger Ludwig Hofmann aus dem Flugzeugwerk Schneider in Grunau (Jezów Sudecki), nahe dem heutigen Jelenia Góra in Polen. Diese hatten wahrscheinlich bereits 1937 mehrere Prototypen des späteren Schulgleiters SG 38 entwickelt und damit begonnen, diese zu erproben. Seine Zulassung erhielt er möglicherweise nach Testflügen bei der Fliegerübungsstelle in Rangsdorf vom 6.12.1937 bis 25.01.1938 (Pilot Heinz Kensche) und weiteren Flügen in Grunau am 14./15.04.1938. Diese Prototypen sollen als Zögling 37C und Zögling 37D bezeichnet worden sein, bevor die Serienexemplare dann den Namen SG 38 trugen.

Möglicherweise bezieht sich die Abkürzung SG 38 eigentlich nicht auf die Bezeichnung Schul-Gleiter, sondern auf Schneider in Grunau 1938. Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht eindeutig belegbar.

Neben dem "Hol's der Teufel" wurde der Schulgleiter SG 38 aus den Mustern Zögling 31 und Zögling 35 sowie der Grunau 9 (dem später legendären "Schädelspalter" ESG 29 - Einheits-Schul-Gleiter oder Espenlaub Schneider in Grunau 1929) weiterentwickelt. Dieses Flugzeug eignete sich besonders für die damals übliche Einsitzer-Schulung, da es auch härtere Landungen leicht wegstecken konnte. Tausende von Piloten machten ihre ersten Sprünge auf einem SG 38 und kaum ein Gleitflugzeug wurde häufiger gebaut und geflogen ..
Zeitleiste zu den Schulgleitern

15 Jahre Entwicklungsarbeit an einfachen Gleitflugzeugen brachten 1938 den ausgereiftesten Schulgleiter als Einheitstyp für die Anfängerschulung hervor. Durch die Verbesserung des Zöglingprofiles konnte eine Leistungssteigerung erreicht werden. Neben den industriell gefertigten Exemplaren entstanden in den folgenden Jahrzehnten auch in den Segelflugvereinen eine weitgehend unbekannte Menge. Er flog in vielen Ländern wie Deutschland, Schweden, Polen, Lettland, Belgien, Spanien und war auch in der DDR bis etwa 1960 das Standard- Schulflugzeug.

Schulgleiter SG 38 der FDJ

Schulgleiter der FDJ, gestaltet von © Arvo Vercamer 2013

In den 50er Jahren wurden im VEB NAGEMA Schmiedeberg sowie im VEB Lokomotiv- und Waggonbau Gotha eine große Anzahl von Schulgleitern gebaut. In Großbritannien produzierte die Firma EoN den Gleiter als AP.7 Eton sowie die Firma Slingsby den Gleiter als T.38 (Grasshopper genannt). Dabei erhielt er einige Änderungen an Tragfläche und Leitwerk. Original wurden Bausätze als G101 von der Firma AB Flygindustri in Halmstad (Schweden) gebaut, unter anderem für die Grundausbildung in der schwedischen Luftwaffe. Insgesamt werden über die Jahrzehnte mit Sicherheit mehr als 8.750 Exemplare von diesen Typen gebaut worden sein.

Aufbau

Durch den einfach gehaltenen Aufbau eignete sich der SG 38 zur serienmäßigen Herstellung in Flugzeugwerften, aber auch zum Bau in Fliegergruppen.

Der Schulgleiter SG 38 ist ein stahldrahtverspannter Hochdecker in Holzbauweise. Der Rumpf, Spannturm und Gitterschwanz bilden ein ebenes Holzfachwerk. Der Flügel ist zweiteilig und hat eine geringe V-Form. Gespleisste Drahtseile zwischen dem Spannturm oben und dem Rumpf unten geben der Fläche den notwendigen Halt. Der als Gitterschwanz ausgebildete Leitwerksträger wird mit Bolzen am Spannturm angesteckt. Die Anlenkung der Ruderflächen erfolgt über zahlreiche Drahtseile und Umlenkrollen, die am Rumpf, Gitterschwanz, sowie in den Tragflächen angebracht sind. Die Verwindungen der Querruder am Ruderaußenende nach oben dienen der Querstabilität und beugen Randbogenbeschädigungen am Boden vor. Zum Austrimmung werden je nach Gewicht des Piloten Bleigewichte vor den Steuerpedalen bzw. am hinteren Spannturm angebracht. Die gefederte Kufe ist aus Eschenholz gefertigt.

Schulgleiter SG 38 D-NNSG des Aeroklub Hoyerswerda e.V. in Nardt

Gegenwärtig gibt es noch einige flugfähige Gleiter in Deutschland, davon 3 Exemplare aus der DDR-Zeit. Der Schulgleiter SG 38 mit der heutigen Zulassung D-NNSG wurde am 28.10.1953 in Dienst gestellt und flog bis zum 19.07.1967 unter seiner Zulassungsnummer 269 am Flugplatz Bronkow. Der eingesetzte Leim begrenzte die Lebensdauer des Fluggerätes auf 15 Jahre. Nach jahrzehntelanger Unterbringung an den Flugplätzen Nardt (Sachsen) und Bronkow (Brandenburg) wurde der Schulgleiter von den Fliegerkameraden des Aeroklub Hoyerswerda e.V. unter Leitung des Werkstattleiters Herbert Hansel zwischen 1992 und 1994 grundüberholt. Am 05.08.1994 wurde das Flugzeug durch den Fluglehrer Heinz Mehlhose erneut eingeflogen. Seit dem 05.07.2006 ist der SG 38 als D-7738 für den Flugzeugschlepp zugelassen. Seit August 2013 besitzt der Schulgleiter SG 38 seinen eigenen Pendelbock zur Anfängerschulung. Am 16.01.2017 wurde der SG 38 als D-NNSG "Luftsportgerät - UL-Segelflugzeug" zugelassen. Herzlichen Dank an alle Unterstützer des Projektes zur UL-Zulassung des Schulgleiters SG 38 beim Aeroklub Hoyerswerda: Gerhard Maleschka (Grundüberholung), Jiri Lenik (Grundüberholung sowie Leihe eines Ersatz-Flugzeugs, des tschechisch zugelassenen SG 38 OK-A910), Sven Brandhorst (Zulassung), Vattenfall GmbH (Spende).

Die Lackierung und die Kennzeichnung (außer dem jetzigen Kennzeichen) sind originalgetreu. Der Schulgleiter dient heute als Oldtimer und fliegender Zeitzeuge der Luftfahrtgeschichte.

Schulgleiter SG 38 OK-A910 von Jiri Lenik in Rana/Tschechien

Die OK-A910 wurde erst 1999 erbaut und hat nach meiner Kenntnis folgende hübsche Geschichte erlebt: Viele Jahrzehnte lagen geschweißte und gebohrte Metallteile, sogenannte Beschläge, in einer Holzkiste im Flugzeugmuseum von Prag. Lange Zeit wußte man damit nichts anzufangen, bis eines Tages ein Oldtimer-Freund die unbekannten Beschläge dem Schulgleiter SG 38 zuordnete und auf die Idee kam, doch den zugehörigen Schulgleiter auferstehen zu lassen. Also begannen tschechische Fliegerfreunde um Jiri Lenik damit, den Schulgleiter mithilfe alter Pläne und viel Mühe wieder aufzubauen. 1999 hatte dieser Schulgleiter seinen erfolgreichen Erstflug.

Aufrund der Entwicklungszeit von 1938 und dem Bau von 1999 gehört wohl dieser Schulgleiter zu den ältesten und neuesten Flugzeugen zugleich. Die Kennung OK-A910 deutet auf seine Zulassung als Ultraleicht-Gleitflugzeug hin. Mit seinen 115 kg Eigengewicht passt er sehr gut in diese Kategorie, obwohl es diese 1938 noch gar nicht gab.

Foto: Annett Auerswald Text: Alexander Görnitz